. .

Weitere Artikel

Franz Mittermair
Empirische Untersuchung über die Wirksamkeit der Heldenreise
(13 Seiten, 2003)


Franz Mittermair
Heil oder Unheil - zur Verantwortung des Therapeuten und Seminarleiters
(4 Seiten, 2006)


Paul Rebillot
Magie der Mythen


Franz Mittermair
"Strukturierte Gestalttherapie" am Beispiel der Heldenreise
(4 Seiten, 2004)


Andreas Wandtke Grohmann
Als das Erzählen noch geholfen hat
(11 Seiten, 2006)

Andreas Wandtke-Grohmann, ein Absolvent unserer Ausbildung, macht sich in seinem Artikel Gedanken über Parallelen zwischen dem Weg des Helden, der ganzheitlichen Veränderung in der Gestalttherapie und dem christlichen Glaubensweg

Artikel

Torsten Zilcher

Zur Begrifflichkeit von "Gestalt"


Der Begriff "Gestalttherapie" gibt vielen Assoziationen Raum, die einem genauerem Verständnis der Gestalttherapie oftmals im Wege stehen.

Ich möchte daher versuchen, den Begriff ein wenig zu füllen, um damit deutlich zu machen, vor welchem Hintergrund wir in unserem Institut ausbilden.

Das Wort “Gestalt” ist ein Begriff aus der Gestaltpsychologie. Diese beschäftigt sich mit den Grundlagen der Wahrnehmung des Menschen. Dabei hat man festgestellt, dass Menschen dazu neigen, die Wahrnehmung ihrer Umwelt nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu organisieren. Eine wesentliche Gesetzmäßigkeit dabei ist, dass wir danach streben einzelne Teile zu einer “Gestalt” werden zu lassen. Ein Beispiel: “Ich zeige Dir Punkte, die kreisförmig angeordnet sind und frage Dich, was siehst Du?” Du wirst tendentiell zu der Antwort “ein Kreis” neigen und nicht die einzelnen Punkte zählen. Dieses Wahrnehmungsphänomen wird nun in der Gestalttherapie auf emotionale Prozesse übertragen. Stell Dir vor, ein Pianist liegt in seinem Bett und will einschlafen. Da spielt ein anderer am Flügel im Wohnzimmer eine dem Pianisten bekannte Melodielinie und läßt die letzten Töne weg...

Es kann sein, dass dies bei dem Pianisten eine gewisse Unruhe auslöst und er darüber nicht gut einschlafen kann. Vielleicht muß er erst ins Wohnzimmer gehen und diese Melodielinie vollenden, um zur Ruhe zu kommen. Als Gestalttherapeut würde ich sagen; er muß diese “offene Gestalt” schließen, um innerlich wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Übertragen wir dieses Phänomen auf tiefere emotionale Prägungen, dann ergibt sich folgende Geschichte:
"Ein 10 jähriger Junge lebt in einem familiären Umfeld, dass geprägt ist von Spannungen der Elternbeziehung, die schließlich zur Scheidung führen. Der Junge macht die Erfahrung, dass für seine Emotionalität kein Platz mehr da ist, da die Eltern genügend mit sich selber zu tun haben. Da dieses “kein Platz zu haben” - Gefühl für den Jungen sehr schmerzhaft ist, lernt er, sein Bedürfnis nach emotionalen Kontakt zu seinen Eltern zu verdrängen, bis er es nicht mehr spürt. Er tut dies, um den Schmerz nicht mehr spüren zu müssen, der für ihn in dieser aktuellen Situation unerträglich ist."

Was bleibt, ist die "offene Gestalt" der unerfüllten Sehnsucht nach emotionaler Bindung.

In der Gestalttherapie bieten wir Räume und Experimentierfelder an, mit verdrängten Gefühlen (oder auch unerledigten Geschäften, oder eben der “offenen Gestalt”) in Kontakt zu kommen. Dies bedeutet in der Regel auch, in Kontakt mit dem Schmerz zu kommen, der ursprünglich verdrängt wurde weil er für das kleine Kind zu bedrohlich war.

Als Erwachsener habe ich jedoch ganz andere Ressourcen zur Verfügung, diesen Schmerz zu bewältigen. Als Gestalttherapeuten versuchen wir, einen sicheren, respektvollen Rahmen anzubieten, der dabei hilft und unterstützt, sich diesen kritischen Gefühlen stellen zu können. Dabei geschieht eine Art Reifung der psychischen Anteile in mir, aus denen heraus ich als Erwachsener auch als verletztes Kind agiert habe.

Dies führt letztlich zu einem größeren Handlungs- und Gefühlsrepertoire und erweitert dadurch meine Lebensmöglichkeiten als erwachsener, reifer Mensch.